In Kathmandu herrscht Leben, wohin man auch blickt ist Bewegung. Fußgänger, Autos, Busse und unzählige Motorradfahrer tummeln sich auf den Straßen. Es ist laut, auf den Straßen übertönen tausende Hupen jede Unterhaltung, Live-Musik ist beinahe täglich in den benachbarten Bars zu hören, Kinder toben lärmend im Schulhof, Ruhe ist hier selten zu finden. Verschiedenste Gerüche hängen in der Luft, von Staub und Abgasen auf den großen Straßen, Räucherstäbchen vor den Türen der Häuser, Essensdüfte aus den kleinen Straßenläden. Kathmandu leuchtet in den schillernsten Farben, Frauen tragen rote, orange, gelbe oder grüne Kleidung, den kleinen Götterstatuen werden orange Blüten als Opfergabe gereicht, in den Läden hängen bunte Stoffe.
Meine ersten beide Tage in Kathmandu haben viel von mir abgefordert, denn es gibt so viel zu sehen, zu riechen, kennen zu lernen. Alles, einfach alles ist hier so anders als zu Hause.
Nicole uns Joseph zeigen mir die Altstadt von Kathmandu, rund um den Durbar Square, der zum UNESCO Weltkulturerbe zählt und auf dem der alte Königspalast steht. Will man den Platz von vorne betreten, werden Touristen zur Kasse gebeten, doch Nicole und Joseph kennt die Seitengassen der Altstadt und bringen mich gratis zu den faszinierenden Gebäuden, die vor vielen Generationen hier erbaut wurden. Viele Gebäude stützten beim großen Erdbeben 2015 ein und wurden in modernem Stil wieder aufgebaut. Auch findet man noch viele eingerüstete Gebäude die noch saniert werden.
Alter Königspalast
Tempel in der Altstadt
Besonders beeindruckend ist für mich die Religion, denn der Glaube ist immer und überall present. 80% der Bevölkerung bekennen sich zum Hinduismus, 10% zum Buddhismus. Sie beeinflusst das tägliche Leben der Nepali und ist Ursprung der traditionellen Kultur des Landes. In Kathmandu findet man an sehr vielen öffentlichen Plätzen kleine Tempel in denen Götterstatuen wohnen, an denen die Menschen ihren Göttern mit meist fünf Opfergaben huldigen: Blumen, Weihrauch, Licht, Sindur (gefärbtes Pulver) und Lebensmittel, meist gekochter Reis. In vielen Innenhöfen der alten Gebäude findet man kleiner als auch größere Tempel und sogar mehrer Götterstatuen. Tritt man durch die kleine Hoftür, herrscht plötzlich Stille und man kann die Präsenz der Götter deutlich spüren. Trotz des hektischen Lebens in der Großstadt ist die Anwesenheit der hinduistischen und buddhistischen Götter überall deutlich spürbar. Es ist Teil des Alltags hier. Die Großmutter des Besitzers unseres Apartments zündet jeden Morgen Räucherwerk an und legt es zusammen mit anderen Opfergaben auf den Zaunpfosten als Bitte an die Götter die bösen Dämonen in dieses Haus nicht einzulassen. Vor vielen der kleinen Läden in den Gassen findet man glimmende Räucherstäbchen und eine Schale mit Blüten und Farbpulver zu eben selben Zweck.
Frauen tragen auf der Stirn einen oder zwei farbige Punkte - der obere zeigt dass diese Frau verheiratet ist und der untere als Schmuckstück oder als Huldigung der Götter, wobei die Farben auch eine Bedeutung zu haben scheinen.
Am Abend durfte ich an einer wunderbaren Zeremonie teilnehmen. Nicole und ich fuhren mit dem Motorrad in den Stadtteil Pashupatinath, einem hinduistischen Heiligtum. Den Tempel dürfen wir nicht betreten, doch die umliegenden Bereiche sind auch für Touristen zugänglich. Wieder will man Eintritt an der Vorderseite von uns verlangen, doch kennt Nicole auch hier die Seitengassen um ohne touristische Abzocke eintreten zu können. Nicole hat mir erzählt dass hier rituelle Bestattungen stattfinden, doch was sich mir schlussendlich dargeboten hat hätte ich niemals erwartet und hat mich tief beeindruckt. Der wichtigste Grundsatz im Hinduismus ist der Kreislauf des Lebens und die Wiedergeburt nach dem Tod. Das höchste Streben eines Gläubigen besteht darin, aus diesem ewigen Kreislauf auszubrechen und die Erleuchtung zu erlangen. Dazu wird viel Augenmerk auf das Karma des Menschen gelegt, also seine Taten in diesem Leben. Das erklärt wohl auch die Freundlichkeit der Nepalesen, deren Hilfsbereitschaft und Ehrlichkeit.
Wir finden einen Sitzplatz auf den Steinstufen am Ufer des Flusses Bagmati und finden uns direkt hinter den drei Zeremonienmeistern wieder. Hunderte Menschen wohnen dem öffentlichen Bestattungsritual tagtäglich bei. Die Vorbereitungen beginnen und plötzlich setzt traditionelle Musik ein, gespielt von vier Musikern direkt neben uns. Die drei Zeremonienmeister waschen sich Hände und Gesicht, heben Räucherstäbchen an und beginnen das Ritual zur Musik. Ihre Bewegungen richten sich in alle vier Himmelsrichtungen, bevor der nächste Durchgang mit einer kleinen Feuerschale beginnt. Die Menschen auf den Steinstufen klatschen leise in die Hände. Die Zeremonienmeister wechseln die rituellen Gegenstände und beginnen ihre Kreise erneut zu ziehen mit immer größer werdenden Flammen. Blumen, Sindur (das gefärbte Pulver), Weihrauch und Reis spielen eine bedeutende Rolle und werden stets in das Ritual eingebunden. Mit jedem Zyklus steigt die Stimmung der Menge, Menschen beginnen zu tanzen, das Klatschen wird lauter, man spürt deutlich die Energie die hier freigesetzt wird. Der Seele des Verstorben wird geholfen sich zu lösen und begleitet um in den Kreislauf der Wiedergeburt eintreten zu können. Der Tod ist kein Anlass zum Trauern, die Hindus begrüßen ihn als Teil des Lebens. Am Ende werden uns orange Blütenblätter gegeben, die wir mit einem kleinen Gebet in den Fluss streuen. Nun wird der verstorbene, leere Körper öffentlich verbrannt und die Asche dem Fluss übergeben.
Nur wenn man Altes loslässt, kann etwas Neues beginnen. Ich wurde mitgerissen von der befreienden Stimmung, durfte die Freude spüren mit der die Seele vom Alten ins Neue begleitet wurde. Da war keine Trauer, da war Dankbarkeit zu fühlen. Das war ein so wunderbares Gefühl dass ich das im Herzen gerne mitnehmen möchte und in meinen Alltag einbauen. Dankbar zu sein für all jenes das vergangen ist, all jene Erfahrungen die man machen durfte und sie mit einem guten Gefühl ziehen zu lassen. Nicht trauern, sondern das Vergangene loslassen und das Neue mit offenen Armen begrüßen.
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